Oft sind es die letzten 15 Minuten im Training, wenn es heißt: “Zieht euch eure Schutzausrüstung an und sucht euch einen Partner!”. Freudig wappnen sich die Kravisten mit Mundschutz, Handschuhen und Schienbeinschonern, um Techniken und Basics zu üben. Kaum ist der Partner gefunden, geht es schon los. Erst einmal langsam und ohne harte Treffer – wir sollen schließlich die Bewegungsabläufe verinnerlichen und unseren Partner nicht verletzten. Und dann, ganz unvorhergesehen landet der Gegner einen Treffer und streift sanft unsere Nase. Der innere Zen-Mönch ruft fröhlich “Oh, eine geschenkte Lektion. Danke lieber Trainingspartner, dass du mir zeigst woran ich noch arbeiten muss..”. Kaum hat er den Satz beendet brüllt unser Ego in Form eines cholerischen Diktators : “Boah, der hat mich getroffen. Das zahl ich dem Heim- jetzt zeig ich dem Mal, was für ein krasser Typ ich bin. Make my Punches great again.”
Primetime für’s Ego
In manchen Momenten trifft er damit bei uns einen Nerv. Der Tag ging schon schlecht los: die Bahn verpasst, in eine Pfütze getreten, keine Zeit für Mittagessen und Dank des Berufsverkehrs ne Stunde im Stau gestanden. Egal aus welchem Grund, jetzt hat unser Ego Primetime. Wir plustern uns auf, machen mental eine Terminatortransformation durch und beginnen völlig ungehalten und ohne jede Überlegung auf unser Gegenüber loszugehen.
In unserem Kopf sieht das hervorragend aus, am besten ein Schlag durch k.o. “Jaja, mit mir legst du dich nicht an!” möchten wir mit unserem Ego-Diktator im Chor rufen als wir stolpern. Rückwärtsgehen sollte man doch nicht. Vor allem nicht in einem Zweikampf. Jetzt rebelliert nicht nur unser Ego, sondern auch unser Allerwertester auf dem wir gerade gelandet sind. Nett wie die Kravisten so sind, hilft unser Trainingspartner uns wieder auf die Beinde und sein sanfter Hinweis, dass wir drauf achten müssen wo wir hinlaufen, trifft mitten ins Schwarze. Das Ego hat einen Tobsuchtsanfall.
Wir sind kaum wieder auf den Beinen, da holen wir schon aus. Bud Spencer mäßig soll der Andere jetzt mal eine Respektschelle kriegen, die sich gewaschen hat. Schon längst ist das Gegenüber nicht mehr die nette Person, die wir so gern haben sondern einfach nur noch die Zielscheibe unseres inneren Diktators. Wir holen so weit aus, dass auch die Bewohner zwei Häuser weiter schon wissen was wir vorhaben und natürlich wird unser Schlag geblockt – der nächste Konter folgt. Wir stolpern und toben. “Das kann nicht sein. Ich kann das doch. Was ist los mit mir?” fluchen wir innerlich während wir weiter auf den Anderen losgehen und einen Fehler nach dem anderen machen.
Manchmal hat das Ego einfach Pause
Wieder einmal auf dem Allerwertesten gelandet, ist unser Ego von all dem Gebrüll heiser geworden. In diesen Moment der Stille flüstert eine leise, liebliche Stimme: “Hast du mal darüber nachgedacht, dass nicht dein Trainingspartner das Problem ist, sondern dieser rote heisere Typ da in deinem Kopf?”. Auftritt innerer Zen-Mönch: “Atme einmal tief ein und aus und konzentriere dich auf das, was du gerade tust. Du magst deinen Trainingspartner, oder? Dann mache ihn nicht für deine Fehler verantwortlich.” rät er und hilft uns wieder auf die Beine.
Seine Worte sind fruchtbar. In den letzten paar Minuten hätten wir fast ein paar wichtige Lektionen verpasst: Dass wir immer noch rückwärts gehen, wenn wir im Kampf sind – daran wollten wir schon länger arbeiten. Dass die Silhoutte bestenfalls nichts über unsere Absichten verrät, haben wir auch schon öfter gehört und, dass uns nichts mehr aus der Fassung bringt als ein wütendes Ego, was uns alles vergessen lässt, was wir gelernt haben.
Beschämt aber erleichtert reichen wir unserem Trainingspartner die Hand. “Entschuldige, ich hatte heute nen miesen Tag und mein Ego hat sich mal wieder gemeldet.”, erklären wir.
-”Kenn ich”, lacht das Gegenüber, “Da hilft nur tief durchatmen und kurz darüber nachdenken was man gerade eigentlich tut.” Versöhnlich kämpfen wir weiter während unser Ego sich in stiller Meditation übt. Manchmal hat der innere Diktator einfach Pause – vor allem in den letzten 15 Minuten des Trainings.
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